Ähnlich wie "Ein kleiner Schritt" und "Die Voyager-Konspiration" gehört "Das
            Pfadfinder-Projekt", die von der Prämisse her wohl spektakulärste und
            interessanteste Folge der 6. Staffel, zu jenen Episoden, die die Roddenberry'schen Star
            Trek Ideale mit jeder einzelnen Szene verkörpern. Hier offenbart sich die Vision jedoch
            eher subtil in der Gestaltung der Geschichte - denn "Das Pfadfinder-Projekt" ist
            mehr als ein reines Crossover mit der legendären Vorgängerserie (das ja per definitionem
            eigentlich gar nicht mehr möglich ist), es ist eine TNG-Episode im Voyager-Zeitalter, und
            zwar nicht nur, weil der neurotische Lt. Barclay (nach seinem ersten Auftritt in "Das Holo-Syndrom") und die wie immer charmante Counselor Troi
            einen Gastauftritt haben, sondern auch in Bezug auf Grundstimmung, Handlungsverlauf und
            Konfliktlösung. Im Mittelpunkt steht (wie bereits in der TNG-Episode "Der schüchterne Reginald" 10 Jahre zuvor) die Holosucht Lt.
            Barclays, der, in perfekter Charakterkontinuität, nach seinem Wechsel von der
            Enterprise-E (auf der er in "Star Trek: Der Erste Kontakt" einen Cameo-Auftritt absolvierte) zu einem Forschungszentrum der
            Sternenflotte auf der Erde nicht mit den Menschen seiner völlig veränderten Umgebung
            zurechtkommt - wie damals bei seiner Versetzung auf die Enterprise-D. Und wie damals
            bringt er nicht den Mut auf, neue Kontakte zu knüpfen, sondern isoliert sich von seinen
            Kollegen - und der Realität -, um sich aufs Holodeck zu flüchten, wo er die
            Vergangenheit mit einer Crew, die ihn schätzt und akzeptiert, zumindest teilweise
            wiederaufleben lassen kann. Hier kommt in der zum größten Teil auf der Erde spielenden
            Episode die Voyager ins Spiel. Natürlich ist es - arbeitsbedingt - die Crew der Voyager,
            die dem einsamen Lieutenant als Ersatz für die Enterprise-Familie dient. Der wirklich
            geniale Coup der Autoren von "Das Pfadfinder-Projekt" ist es nämlich nicht nur,
            wieder eine von der Atmosphäre her echte TNG-Episode realisiert zu haben, sondern diese
            auch mit Voyager verknüpft zu haben. Und diese Verknüpfung könnte nicht bedeutender
            sein: die erste Zwei-Wege-Kommunikation zwischen Erde und Voyager, und die Chance für
            eine dauerhafte Verbindung mit der Heimat. Erstmalig resultiert diese Leistung aber nicht
            aus den Bemühungen der tapferen Voyager-Crew (etwa wie in "Flaschenpost"), sondern ist dem unermüdlichen
            Einsatz eines Mannes zu verdanken - eben Barclay, der schließlich einen ersten Kontakt
            mit der Voyager herstellen kann. Es ist wie in der realen Welt - jemand hat eine
            verrückte Idee, die als nicht realisierbar eingestuft wird und deshalb von den anderen
            gar nicht erst in Angriff genommen wird. Dieser jemand - Barclay - glaubt jedoch daran,
            das Unmögliche möglich machen zu können - und (sonst wäre es ja keine VOY oder TNG
            Episode) am Ende gelingt es ihm auch tatsächlich. Er hat viel gesetzt - seine
            Sternenflottenkarriere, seine Reputation, sogar seine Gesundheit - doch sein Mut und sein
            Willen, etwas zu erreichen, etwas zum Positiven zu verändern, wird (beruflich als auch
            privat) belohnt, wie das Finale eindrücklich zeigt. Dieser Teil ist allerdings wiederum
            (leider) allzu phantastisch und ziemlich unrealistisch, doch, meine Einschätzung zu
            "Die Voyager-Konspiration" trifft auch auf diese Episode zu: der
            Realitätsgehalt ist hier zweitrangig, denn die mit der Handlung vermittelte Botschaft
            (etwa "Du kannst alles erreichen, wenn du an dich glaubst") ist das
            entscheidende. So wäre natürlich eigentlich eine Kontaktaufnahme mit der Voyager, wie
            sie gezeigt wird (durch "Trial & Error") angesichts der Größe des
            Quadranten absolut unmöglich, und es erscheint unglaubwürdig, daß Barclay durch seinen
            Erfolg zum umjubelten Helden wird, während er bei einem Versagen unehrenhaft entlassen
            worden wäre, doch das war The Next Generation und das ist Star Trek: Voyager - eine
            utopische Vision einer (fast) perfekten Zukunft. Bleibt als Kritikpunkt einzig und allein,
            daß trotz der nachvollziehbaren Beweggründe die Figur Barclay und seine Affinität für
            die Voyager an manchen Stellen doch etwas arg überzeichnet wurde ("Dieses Schiff ...
            Diese Crew ..."), doch das ist angesichts einer aus so vielerlei Gründen exzellenten
            Episode sicher verschmerzbar.  
            Letzten Endes ist "Das Pfadfinder-Projekt" wirklich ein Meilenstein für die
            Serie, weil die Episode die Zukunft von Star Trek: Voyager und das Schicksal der Crew
            nachhaltig beeinflussen wird (siehe "Rettungsanker"
            und etliche Episoden der 7. Staffel) und nicht zuletzt, weil sie zwei Mitglieder der so
            sehr vermißten Next Generation zurückgebracht hat. 
           |